Ethereum – Der Winter naht
Ethereum segelt in die Eiszeit: Die Difficulty-Bombe beginnt, sich bemerkbar zu machen, indem die Miner immer länger brauchen, um neue Blöcke zu finden. Dieser Ritt in die Eiszeit soll helfen, den Umstieg auf Proof of Stake zu meistern.
Noch ist die Difficulty-Bomb von Ethereum kaum sichtbar. Seit Anfang des Jahres steigt der Preis der zweitwertvollsten Kryptowährung kontinuierlich an, und mit ihm auch die Hashrate der Miner sowie, naturgemäß, auch die Difficulty.
Wenn man jedoch genau hinschaut, erkennt man, dass die Difficulty ein Stückchen rascher ansteigt als die Hashrate. Eigentlich sollte beides synchron verlaufen bzw. die Hashrate sollte der Difficulty vorauseilen.
Anstieg von Hashrate und Difficulty übereinandergelegt. In weniger vollem Blau ist die Difficulty, die sich im Lauf der Zeit von der Hashrate entkoppelt. Quelle der Chart: Creative Commons
Es ist normal, dass die Schwierigkeit der kryptographischen Rätsel, die die Miner zu lösen haben, mit der Rechenkraft ansteigt, die sie ins Netzwerk pumpen. Das ist bei jeder Kryptowährung so und es gewährleistet, dass der Zeitraum zwischen den Blöcken sowie die Rate, mit der neue Coins erzeugt werden, stabil bleiben. Ohne eine Anpassung der Schwierigkeit an die Hashrate würde jede Kryptowährung an galoppierender Inflation leiden.
Bei Ethereum gerät dieses Gleichgewicht langsam und sachte aber sicher ins Wanken. Die Schwierigkeit steigt schneller an als die Hashrate. Das Resultat ist, dass sich das System verlangsamt. Während bisher alle 14 Sekunden ein Block entsteht, dauert es nun schon mehr als 15. Das ist nicht viel, aber ein signifikanter Ausschlag.
Zugleich sinkt die tägliche Rate, mit der neue Ether entstehen. Im Januar und Februar haben die Miner noch rund 30.000 Ether am Tag erschaffen. Heute sind es nur noch etwa 27.500. Wenn die Blöcke langsamer fallen, entstehen auch weniger Ether am Tag. Ist klar.
Bisher sind die Auswirkungen der Difficulty-Bombe noch harmlos. Sie mögen in den Charts sichtbar sein, beeinträchtigen aber die Usability von Ethereum überhaupt nicht im geringsten.
Allerdings wird sich der Effekt im Lauf des Jahres erheblich steigern. Denn die Difficulty wächst exponentiell. Es wird erwartet, dass die Abstände zwischen den Blöcken noch im Sommer oder Herbst auf bis zu 30 Sekunden anwachsen werden, womit sich die Generierung neuer Coins wie auch die Kapazität des Netzwerks halbiert haben wird. Im Lauf der folgenden Monate und Jahre wird die Difficulty immer schneller steigen, bis zu dem Grad, ab dem es für die Miner weitgehend unmöglich wird, einen Block zu finden. Dann wird Ethereum eingefroren sein.
Geplante Obsoleszenz für sanften Wechsel zu Proof of Stake
Diese Eiszeit haben die Ethereum-Entwickler nicht ohne Grund eingeplant. So dient sie als eine Art geplanter Obsoleszenz, die dafür sorgt, dass eine bestimmte Ethereum-Version ab einem gewissen Zeitpunkt unbenutzbar wird, und damit sowohl Entwickler als auch Miner und User anspornt, radikale Änderungen mitzutragen. Ein solches Gezaudere angesichts einer Hardfork, wie man es bei Bitcoin seit gut 24 Monaten miterleben muss, ist dank der Eiszeit bei Ethereum unmöglich.
Ein zweiter, und vielleicht wichtigerer Grund für die Difficulty-Bomb ist jedoch der geplante Wechsel von Ethereum von PoW zu PoS. PoW bedeutet “Proof of Work” und meint, dass die Miner um den Block-Reward konkurrieren, indem sie beweisen, dass ihre Computer Rechenzyklen verbrauchen. PoS hingegen bedeutet “Proof of Stake” und meint, dass die Miner nicht echte Computerleistung investieren, sondern lediglich Ether, mit denen sie simulierte Miner kaufen und mit diesen um die Blöcke konkurrieren. Anstatt Miner heißen sie nun Staker.
PoS ist umweltfreundlicher, senkt die Schwelle für Erstinvestitionen ins Mining, ermöglicht geringere Interwalle zwischen den Blöcken und ist eine Voraussetzung für das Sharding der Blockchain, mit dem Ethereum eine fast endlose Skalierbarkeit erreichen möchte. Es könnte sich also lohnen, diesen Weg zu gehen.
Der Plan, mit dem Ethereum auf Proof of Stake umsteigen möchte, ist elegant. Zunächst, während der Metroplis-Ära, sollen Mining und Staking noch parallel fahren. Die Staker werden dafür einen “Caspar” Vertrag benutzen, in den sie Ether einschließen und mit dem sie Blöcke validieren. Zugleich wird das Timing der Blöcke weiterhin durch den Proof of Work, also die Miner, bestimmt.
Da allerdings durch die Eiszeit die Mining-Difficulty immer weiter ansteigt, wird sich das Mining im Lauf der Zeit unweigerlich weniger lohnen als das Staking. Es soll also einen sanften Wechseln hin zu Proof of Stake geben, der von den ökonomischen Anreizen der Miner bzw. Staker getrieben wird.
Eiszeit erreicht Blockchain mit Verspätung
Ursprünglich wurde die Difficulty Bomb am 7. September 2015 eingeführt. Der Plan war, wie Stephen Tual damals auf dem Blog der Ethereum Foundation erklärte, dass die Difficulty ab Block 200.000 – noch im September 2015 – beginnen sollte, exponentiell zu steigen. “Etwa in einem Jahr,” schreibt Tual zu diesem Zeitpunkt, “wird das Netzwerk noch für etwa 3-4 Monate benutzbar sein, aber danach in eine ‘Eiszeit’ eintreten: Die Schwierigkeit wird schlichterdings zu hoch sein, als dass jemand einen Block findet. Dies wird uns erlauben, PoS einzuführen.”
Eigentlich hätte die Ethereum-Blockchain also bereits Ende 2016 so gut wie unbenutzbar sein sollen. Allerdings wurden den Entwicklern noch während des Jahres 2016 klar, dass sie sich überschätzt hatten. Es war nicht möglich, diese Deadline für PoS einzuhalten. Also haben sie mit der Hardfork zur Homestead-Version von Ethereum die Difficulty-Bombe ein wenig entschärft. Vitalik Buterin schrieb dazu vor rund einem Jahr: “… die Eiszeit wird nun doch sehr langsam eintreten … Ab Block 3,5 Millionen (etwa in einem Jahr), werden wir ein durchschnittliches Blockinterwall von 25 Sekunden für rund 100.000 Blöcke (etwa 1 Monat) haben; dann werden wir für die die nächsten 100.000 Blöcke (nun etwa 1,4 Monate) 35 Sekunden haben, dann ~55 Sekunden für etwa 2,2 Monate, dann ~95 Sekunden für etwa 3,8 Monate, und so weiter bis wir bei ~655 Sekunden für etwa 26 Monate landen.” Die finale Untergangsphase wird etwa 2021 eintreten, wenn das Netzwerk beinah zum Stillstand kommt.
Wie alle Exponentialfunktionen startet die Difficulty Bomb langsam, kaum sichtbar, um dann, relativ plötzlich, zu explodieren. Da sich die Hashrate der Miner gleichzeitig fortlaufend erhöht, wird sich die Eiszeit erst später als geplant bemerkbar machen. Laut den Berechnungen von Vitalik Buterin sollte Ethereum heute, mit einer Blocknummer von 3,7 Millionen und ein paar Zerquetschten bei einem Block-Interwall von etwa 55 Sekunden sein. Tatsächlich sind es aber nur 15. Der Grund ist, dass die Miner im Lauf der letzten Monate massiv in neue Mining-Hardware investiert und damit die Hashrate hochgetrieben haben. Unter normalen Umständen würde dies dafür sorgen, dass die Interwalle zwischen den Blöcken kürzer anstatt länger werden.
Selbst die bereits verzögerte Eiszeit wird also noch später als geplant eintreffen. Zwar wird die Erhöhung von Schwierigkeit und Blockzeit vermutlich in den kommenden Monaten immer deutlicher zu sehen sein – doch zu wirklichen Funktionseinschränkungen wird es voraussichtlich nicht vor Frühling 2018 kommen.
Bis dahin wollen die Ethereum Core Entwickler bereits in der Metropolis Phase von Ethereum angekommen sein. Der Fahrplan von Ethereum besteht aus vier Phasen – Frontier, Homestead, Metroplis und Serenity – von denen jede durch eine Hardfork eingeleitet wird und einen Abschnitt in der Vollendung von Ethereum darstellt. Derzeit sind wir in Homestead, der Phase, die der Entstehung grafischer Wallets und der Sicherheit gewidmet war. Mit Metropolis möchte Ethereum den Massenmarkt angreifen. Ein Teil dieser neuen Version wird die Einführung des Caspar Proof of Stake sein, der zunächst noch parallel zum Mining laufen soll. Erst wenn die Eiszeit wirklich zuschlägt, wird Proof of Stake das Mining verdrängen. Dies wird dann die Serenity Phase einleiten.
Noch haben sich die Ethereum-Entwickler allerdings noch nicht endgültig darauf geeinigt, was alles in die Metropolis Hardfork rein soll. Zwar sind bereits zahlreiche Änderungen vollständig, doch es fehlt noch unter anderem die finale Version von Caspar, und es gibt noch einige Uneinigkeiten, etwa über die Frage, ob man den Mining-Reward senken soll. Daher haben die Entwickler noch kein konkretes Datum für Metropolis genannt. Angestrebt wird aber ein Release im August oder September.
Bis dahin werden die Abstände zwischen den Blöcken auf voraussichtlich mehr als 20, vielleicht sogar auf 30 Sekunden angewachsen sein. Diese Verknappung der Erzeugung neuer Ether mag für Spekulanten reizvoll sein. Diejenigen, die hingegen mit Ethereum arbeiten wollen, werden zu diesem Zeitpunkt beginnen, sich zu wünschen, dass die Entwickler ihrem Zeitplan folgen werden.